Have any questions?
+44 1234 567 890
Den Social-Media-Bann durchbrechen
TikTok, Instagram, WhatsApp und Co – zwei Drittel der Österreicher:innen nutzen Soziale Netzwerke. Bei den 16- bis 34-jährigen sind es fast 88% - das ergab eine Studie im Jahr 2023. Doch warum ist die Online-Welt so interessant und was hat das eigentlich für Auswirkungen?
Die Generation Z, aber vor allem die Generation Alpha, wächst mit dem Smartphone als Begleiter rund um die Uhr auf. Aber auch die älteren Generationen haben den „kleinen Computer“ immer dabei. Doch was wäre ein iPhone, Samsung Galaxy etc. ohne Social Media? Diverse Social-Media-Kanäle beherrschen nicht nur den Homescreen, sondern auch unser Leben. Einerseits will man nichts verpassen, ganz nach dem Motto FOMO (Fear of missing out), und mit Freund:innen in Kontakt bleiben. Andererseits macht es Spaß, sich von Videos berieseln zu lassen, coole Kochrezepte zu finden oder den neuesten Trends und Influencer:innen zu folgen.
Keine Frage, die neuen Technologien und Möglichkeiten bereichern nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch unsere Freizeit. Doch wenn man mit einer Sache so viel Zeit verbringt, dann sollte man sich auch über die Gefahren und Risiken bewusst sein.
Social Media – ein Boost zum Glücklichsein
Glückshormone wie Dopamin, Serotonin und Endorphin sorgen für Glücksgefühle und Wohlbefinden. Während Endorphine beispielweise als körpereignes Schmerzmittel gesehen werden, sorgt Serotonin für Gelassen- und Zufriedenheit. Das Nummer eins Glückshormon ist das Dopamin, welches eine stimmungsaufhellende, motivierende Wirkung hat.
Verbringt man nun Zeit zum Beispiel auf TikTok, werden beim Schauen von Videos, beim Liken und bei jeder Push-Benachrichtigung Glückshormone ausgeschüttet und das ziemlich schnell. Außerdem sind Menschen soziale Wesen und der Kontakt zu anderen macht Freude. Zusätzlich zieht der endlose Feed der App den Nutzer oder die Nutzerin in seinen toxischen Bann. Man will nur „kurz“ die News auf seiner Lieblings-Social-Media-Plattform checken und plötzlich werden aus fünf Minuten eine Stunde. Der Glückshormon-Regen scheint uns zufrieden zu machen.
Die Macht des Algorithmus
Es ist interessant, wenn man die TikTok-For-You-Page (FYP) oder die YouTube-Startseite von verschiedenen Nutzer:innen vergleicht. Man nutzt dieselbe App, doch trotzdem ist der Inhalt so unterschiedlich. Der Algorithmus personalisiert den Medienkonsum. Dessen Funktionsweise ist das „hausinterne“ Geheimnis jeder Social-Media-Plattform und Algorithmus-Forscher:innen können sich nur ein wenig in die Systeme hineintasten. Fakt ist, in die Berechnung des Inhalts fließen Daten ein, die während der eigenen Nutzung gesammelt werden. Diese Daten können je nach Plattform unterschiedlich sein. Die Hierarchisierungsalgorithmen reagieren auf Interaktionen wie Klicks, Likes und Kommentare, tracken die Verweildauer oder achten auf andere Merkmale, wie zum Beispiel das Geschlecht der User:innen. Der Algorithmus ist also eine künstliche Intelligenz, die den Medienkonsum individuell und interessant macht und uns länger auf den Plattformen hält. Die Verweildauer ist laut einer Studie aus dem Jahr 2022 bei TikTok mit durchschnittlich 95 Minuten am höchsten. Danach folgen YouTube mit 74 Minuten und Instagram mit 51 Minuten.
Die nachstehende Abbildung zeigt die Tagesdurchschnittszeit verbracht in Apps im Jahr 2022/Q2 – Quelle: Sensor Tower Consumer Intelligence
Das Ziel der Social-Media-Kanäle ist es, die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen möglichst lange zu halten. Denn die Firmen möchten Werbung platzieren, die möglichst viele „Views“ bekommt und so Geld verdienen. Soziale Netzwerke sind nicht ohne Grund die Werbeplattformen Nummer eins geworden. Man erreicht viele Personen in kurzer Zeit und kann mit gezieltem Social-Media-Marketing Produkte, Dienstleistungen etc. den gewünschten Zielgruppen präsentieren und verkaufen.
Multitasking mit Beigeschmack
Man kennt ihn, den vertrauten Griff in die Hosentasche, meistens aus Langeweile oder auch als Ersatzhandlung, wenn man sich gerade in einer unangenehmen Situation befindet. Dabei spricht die Wissenschaft von einem gewohnheitsmäßigen Überprüfungsverhalten. Man überprüft schnell, aber sehr häufig, die eingehenden Informationen, Nachrichten etc. Verstärkt wird dieses Verhalten durch die bereits beschriebene Dopamin-Ausschüttung bei der Informationsbelohnung. Doch wie beeinflusst das Smartphone bzw. Social Media nun die Konzentrationsfähigkeit?
Der vielschichtige Strom von Informationen über das Internet zwingt uns dazu unseren Aufmerksamkeits-Mittelpunkt ständig zu wechseln, also „Multitasking“ zu betreiben. Ständig poppt eine neue Nachricht auf. Ein dauerhaftes Konzentrieren ist nicht nötig. Eine Studie hat gezeigt, dass sich Menschen schlechter auf eine Aufgabe konzentrieren konnten, nachdem sie einige Minuten im Internet verbracht hatten. Das Internet scheint also die menschliche Kognition und das soziale Verhalten zu beeinflussen – positiv und negativ. Die Auswirkungen sind nämlich bei verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich und hängen auch von der Nutzungsdauer ab.
Internet als Superpower oder Superdowner
Während die ältere Generation von der digitalen Vernetzung profitieren kann, weil die Gehirnaktivität durch Online-Aktivitäten wie Suchen gefördert wird, sollen bei Kindern und Jugendliche weniger positive Entwicklungen beobachtet worden sein. Die digitalen Ablenkungen und übernatürlichen Fähigkeiten des Internets sind für diese Altersgruppe kein guter Ort zum Entspannen, weil sie sich in einer kritischen Phase der Gehirnentwicklung befinden. Es besteht die Gefahr, dass die Entwicklung von höheren kognitiven Funktionen gehemmt wird.
Das sogenannte „digitale Multitasking“ beeinflusst also die Konzentrationsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen negativ. Das Gehirn kann schlechter Unwichtiges und Ablenkungen herausfiltern. Eine sehr häufige Internet-Nutzung bei Kleinkindern ab drei Jahren soll sogar die verbale Intelligenz vermindern und die Reifung der grauen und weißen Substanz im Gehirn behindern.
Dennoch kann man von der vernetzten Social-Media-Welt profitieren, wenn man sie gezielt nutzt. Beim Suchen bzw. „Googeln“ von Informationen entstehen Vernetzungen im Gehirn, man erfährt Dinge, die man offline vielleicht nicht gefunden hätte. Wenn man sich zum Beispiel mehrere 100 Profilbilder plus Namen in sozialen Netzwerken merkt, wird eine hohe assoziative Merkfähigkeit benötigt, die in realen Beziehungen zu Menschen nur in kleinerem Ausmaß gebraucht wird. Gehirnregion wie das Amygdala (Mandelkern) und die graue Substanz, die für Emotionen (auch Angst), Intelligenz und soziale Kognition zuständig sind, können also auch von Social-Media-Freundschaften und Verbindungen profitieren.
Abhängig oder ab in die Realität
Der Konsum von Social-Media-Inhalten ist also Segen und Fluch zugleich. Man kann von einfacher Informations-Zugänglichkeit und sozialen Kontakten profitieren, sollte sich dabei aber nicht stundenlang am Sofa oder sogar mental fesseln lassen und andere wichtige Bedürfnisse vernachlässigen. Der Bezug zur Realität sollte immer da sein.
Es sollte einem nicht wie zahlreichen jungen Menschen gehen, die ihre Selbstachtung von Online-Feedback abhängig machen. Menschen tendieren generell dazu, sich mit anderen zu vergleichen, dies wird online noch verstärkt. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, weil es auch motivierend sein kann, sich von Erfolgen oder Lebensstilen anderer anstiften zu lassen. Doch auf Social Media werden teilweise manipulative Inhalte und außergewöhnlich erfolgreiche Persönlichkeiten gezeigt, was eine unrealistische Selbsterwartung entstehen lassen kann. Vor allem weibliche Jugendliche scheinen stärker zu mentalen Problemen, wie zum Beispiel Depressionen, bei exzessiver Smartphone- und Social-Media-Nutzung zu tendieren.
In der heutigen „Internet-everywhere-Welt“ ist es unmöglich „Nein“ zur Social-Media-Nutzung zu sagen – das sollte man auch nicht. Vielmehr sollte man sich der Risiken und Einflüsse bewusst sein, denen man auf den Plattformen ausgesetzt ist und die Apps kontrolliert konsumieren. Eine Stunde auf Social Media stellt ein deutlich geringeres Risiko da, psychisch belastet zu sein oder gar abhängig vom Dopamin-Regen im Netz zu werden. Die Forschung ist sich noch nicht sicher, welche Effekte der digitale Konsum auf unser Gehirn hat, weil das von sehr vielen Faktoren abhängt. Fakt ist, die Auswirkungen hängen von der Konsumdauer ab.
Dem Automatismus widerstehen ...
… und überlegen, was man konsumiert. Zum Einen sollte man darauf achten, seine Nutzungszeit von Instagram, TikTok und Co zu kontrollieren. Außerdem gilt es kritisch zu betrachten, womit man seine Zeit online verbringt. So kann ja beispielsweise ein Wissensaustausch mit Kolleg:innen oder Mitschüler:innen zu besseren (Schul-) leistungen führen. Während stundenlanger Konsum von teilweise sinnlosen Inhalten auf zum Beispiel TikTok weniger gut ist.
Medien und Unterhaltung zu widerstehen, sind sogar wissenschaftlich bewiesen die schwierigsten Dinge. Also wie kann man die Kontrolle bewahren? – Man muss sich einen guten Vorsatz setzen.
Oft merkt man aber gar nicht, wenn man „kurz“ die Uhrzeit checkt und dann auf Social Media landet. Außerdem ist es schwierig einer Versuchung zu widerstehen, wenn es kein klares Gefühl gibt, das uns darauf aufmerksam macht, wenn unsere Willenskraft gute Vorsätze umzusetzen, nachlässt.
Ein Bewusstsein schaffen
Wenn man selbst nicht merkt, dass man schwach wird, der Smartphone-Versuchung nachgeht, braucht es ein Hilfsmittel, das einen darauf hinweist. Es gibt einige Apps, wie „Forest“, die einen dazu motivieren, nicht ans Handy zu gehen, während beispielsweise ein virtueller Baum wächst. Andere Apps fragen einen zum Beispiel beim Öffnen von Instagram, „Willst du die App jetzt wirklich öffnen?“. Der Automatismus soll also unterbrochen und eine bewusste Entscheidung für oder gegen die Social-Media-Nutzung in dem Moment getroffen werden.
Earthies – selbst Entscheidungen treffen
Vielleicht klingt es komisch ein digitales Problem mit einer digitalen Lösung, wie den gerade beschriebenen Apps, zu bekämpfen. Es kann auch physische Hilfsmittel geben. Eine nicht-digitale Lösung heißt „Earthies“.
„Earthies“ sind kleine Figuren, die sich am Handy als Accessoire, als Armband oder als Sticker an einem beliebigen Ort im Alltag platzieren lassen. Der Sinn dabei ist es, wie bei den Apps, mehr Bewusstsein für die Nutzung von digitalen Devices bzw. Social Media zu schaffen. Immer wenn man, oft unterbewusst, das Smartphone herausholt, soll die kleine Figur dazu anregen, eine Sekunde darüber nachzudenken, ob der jeweilige Blick auf den Bildschirm oder in die Lieblings-Social-Media-App wirklich in dem Moment notwendig ist.
Wie vorher beschrieben kann man ein Verlangen durch Prokrastination abschwächen. Entscheidet man sich nach diesem kleinen Reminder durch die Figur also dafür nicht seiner „Social-Media-Sucht“ bzw. dem Automatismus nachzugehen, gewinnt man mehr Kontrolle über seinen Konsum von sozialen Netzwerken. Es geht darum ein Bewusstsein bei der Nutzung zu schaffen und vor allem die Nutzungsdauer zu minimieren, da wie oben beschrieben, die Probleme und Risiken bei einer erhöhten Verweilzeit auf Social Media entstehen bzw. mehr werden. Die kleine „Earthies“-Figur soll dabei helfen kein „Smombie“ (Jugendwort für Smartphone & Zombie) zu werden.
Abschließend kann man sagen, dass Social Media unser Leben bereichert, doch auch in unterschiedliche Richtungen beeinflusst, positiv und negativ. Die richtige Balance zwischen realer und online Welt ist wichtig. Das Leben sollte von unterschiedlichen Dingen geprägt werden und die Ausschüttung von Glückshormonen oder ein gutes Selbstwertgefühl nicht nur das Resultat von Likes sein. Das Gehirn, vor allem von Kindern, ist formbar und hat die Fähigkeiten sich je nach Erfahrungen und Einflüssen anzupassen, dies sollte einem bewusst sein.
Um genaue Aussagen über die Auswirkungen von Social-Media-Konsum zu treffen, hat die Forschung mit dieser sehr jungen Thematik noch einen weiten Weg vor sich. Fakt ist, man muss sich auch außerhalb der digitalen Welt an den realen Dingen des Lebens erfreuen können. Das sollte man auch der Generation Alpha mitgeben – Chatten, Scrollen und Liken macht Spaß, ist aber mit Vorsicht zu genießen. Außerdem soll man bewusst entscheiden können, mit welchen Einflüssen man sein Gehirn prägt oder „bildet“ und nicht wie ein Zombie fremdgesteuert in den Bildschirm starren.