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Besser fühlen um sich besser zu fühlen
Jede:r weint mal. Jede:r fühlt sich mal überfordert.
Jede:r fühlt sich mal ängstlich, traurig, wütend oder enttäuscht.
Aber genauso fühlt sich jede:r mal zufrieden. Jede:r fühlt sich mal stolz.
Jede:r fühlt sich mal hoffnungsvoll, freudig, vergnügt, dankbar oder inspiriert.
Wir fühlen vieles und jedes einzelne Gefühl hat seine Daseinsberechtigung. Egal ob es ein schwaches, starkes, negatives oder positives Gefühl ist. Wichtig ist, dass wir fühlen. Alles fühlen. Und wenn wir ein großes Spektrum fühlen können, ist das ein Zeichen dafür, dass es uns gut geht.
Die Belastung steigt, die psychischen Erkrankungen ebenso
Momentan prasseln unzählige Meldungen, Videos und Bilder von unbegreifbaren Gewaltakten an Menschen, zerbombten Städten, Naturkatastrophen und noch so viel mehr auf uns alle ein. Täglich werden wir mit unfassbar großem Leid konfrontiert, während die „kleinen“ Probleme und der Stress des Alltags nicht weniger werden. Es bleibt keine Zeit die vielen Eindrücke zu sortieren. Wenig überraschend also, dass negative Gefühle zur Zeit häufig die Oberhand haben. Dazu kommt, dass negative Gefühle stärker von uns wahrgenommen und in Erinnerung bleiben, als positive. Viele kleine Momente, die über den Tag verteilt Glück in uns auslösen, erhalten weniger Beachtung als ein einziger Moment, der ein starkes negatives Gefühl wie Wut ausgelöst hat.
Dass ein großer Teil der Gesellschaft momentan eine starke psychische Belastung verspürt, zeigen auch die Zahlen aktueller Erhebungen über das Wohlbefinden der Österreicher:innen. In der „Gesundheitsstudie 2023” der Wiener Städtischen, durchgeführt vom Gallup Institut, gaben 35 Prozent der Österreicher:innen an, dass sie aktuell oder in der Vergangenheit an psychischen Erkrankungen leiden oder litten. Das sind im Vergleich zum Vorjahr der gleichen Studie vier Prozent mehr. Besonders belastet sind trotz leichter Rückgänge weiterhin Kinder bis zu 18 Jahren: 39 Prozent sind aus der Sicht ihrer Eltern aktuell mental belastet bis sehr belastet. Auch wenn das eine Verbesserung von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet, sind die Zahlen alarmierend. Vor allem mit Blick auf die psychische Gesundheitsversorgung in Österreich. Derzeit gibt es nur für einen Prozent der Bevölkerung krankenkassenfinanzierte Psychotherapie. Um eine Behandlung zu bekommen muss man entweder lange Wartezeiten auf einen freien Platz in Kauf nehmen oder selbst tief in die Tasche greifen - sofern einem dies möglich ist. Dabei sollte eine angemessene psychotherapeutische, sowie gesundheitliche Behandlung nie eine Frage der finanziellen Lage sein.
Die Belastung steigt, die psychischen Erkrankungen ebenso. Dies hat nicht nur individuelle negative Auswirkungen, sondern auch auf unsere gesamte Gesellschaft, das Gesundheitssystem und die Wirtschaft.
Was kann man für sich selbst tun?
Wenn ein Zugang zu professioneller Unterstützung derzeit nicht möglich ist, ist deswegen nicht alles verloren.* Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Methoden und Herangehensweisen, wie man sich selbst und damit auch anderen helfen kann. Ein erster hilfreicher Schritt ist es, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Nicht jedes Gefühl fühlen wir gerne. Und trotzdem fallen einem vermutlich schneller mehr Bezeichnungen für negative, als für positive Gefühle ein. Weil wir gelernt haben, diese häufiger zu benennen und darüber zu grübeln. Schnell grübelt man mal über etwas, das man gesagt hat, ist besorgt, dass es vielleicht zu viel oder peinlich war, ist ängstlich, was andere darüber denken und so weiter. Eher selten grübeln wir aber darüber, warum wir uns heute so zufrieden oder vergnügt fühlen. Doch sollten wir uns darüber bewusst werden, dass jedes Gefühl einen Zweck erfüllt - egal, ob wir es gern fühlen oder nicht. Wir fühlen, um zu verstehen, was wir erleben und schaffen uns so unsere Realität. “Your intellect may be confused, but your emotions will never lie to you” schrieb Roger Ebert, ein bedeutender amerikanischer Filmkritiker.
Und dennoch geben wir oft unser Bestes, Gefühle zu verdrängen, sie zu unterdrücken oder sich mit Arbeit, Essen oder anderen Dingen davon abzulenken. Das macht auf Dauer krank. Daran können wir, jede:r für sich, etwas ändern. Man kann lernen, die eigenen Gefühle zu erkennen, verstehen und mit ihnen umzugehen. Diese Fähigkeit kann zu einer unheimlichen Stärke werden: Können wir besser fühlen, werden wir uns auch besser fühlen.
* Personen mit akuten psychischen Problem oder Krankheiten bekommen bei diesen Stellen schnelle, sofortige Hilfe:
Notruf (144)
Rat auf Draht (147)
Telefonseelsorge (142)